5 Mehrphasensysteme

Bisher wurde Wechselstrom, Wechselspannung und deren Wirkungen an einer Schaltung betrachtet, die nur eine Quellwechselspannung beinhaltet hatte.
Diese Schaltungen lassen sich so verstehen, dass

  • die sinusförmige Wechselspannung durch das Rotieren einer Spule in einem homogenen Magnetfeld und
  • der sinusförmige Wechselstrom durch einen angeschlossenen Verbraucher (oder eine komplexe Impedanz)

gebildet werden.

Abb. 1: Spannungserzeugung im Generator elektrotechnik_2:spannungserzeugunggenerator.png

Dies soll hier kurz dargestellt werden. In Abbildung 1 ist eine Spule mit $w$ Wicklungen in einem magnetischen Feld mit der einem magnetischen Flussdichte $\vec{B}$ zu sehen. Die Spule dreht sich - ausgehend von $\alpha_0$ aus mit der Winkelgeschwindigkeit $\omega$. Durch die Drehung ändert sich der verkettete Fluss $\Psi$ durch die Spule und damit wird eine Spannung $u(t)$ induziert. Für den Rotationswinkel $\alpha$ gilt: \begin{align*} \alpha(t)=\omega t + \alpha_0 \quad \text{mit} \quad \alpha_0=\alpha(t=0) \\ \end{align*}

Damit ergibt sich für die induzierte Spannung $u(t)$: \begin{align*} u(t) &= \frac{d\Psi}{dt} \\ &= w\cdot\frac{d\Phi}{dt} \\ &= wBA\cdot\frac{d cos \alpha}{dt} \\ &= \hat{\Psi}\cdot\frac{d cos (\omega t + \alpha_0)}{dt} \\ &= -\omega \hat{\Psi}\cdot sin (\omega t + \alpha_0) \\ &= -\hat{u}\cdot sin (\omega t + \alpha_0) \\ \end{align*}

Solche Einphasensysteme sind also Wechselstromsysteme, welche je eine Hinleitung und eine Rückleitung für die Stromführung nutzen.
An einer angeschlossenen Last wurde die Leistung betrachtet. Dabei wurde unterschieden zwischen:

  • einer Wirkleistung: $P = UI cos \varphi$, die dauerhaft einen Energieabfluss aus dem elektrischen System darstellt.
  • einer Blindleistung: $Q = UI sin \varphi$, welche das „Hin- und Rückschwappen“ der Energie in die elektrischen und magnetischen Felder beschreibt.

Im Folgenden soll nun der Weg zu Mehrphasensystemen beschrieben werden.

Es soll nun kurz auf verschiedene allgemeine Fachbegriffe im Mehrphasensystem eingegangen werden.

  1. Ein $m$-Phasensystem beschreibt eine Schaltung in der $m$ sinusförmige Spannungen die Leistung transportieren. Die Spannungen werden hierbei durch $m$ gleichgestaltete Spulen generiert, welche durch einen Winkel von $\alpha = 2\pi/m$ zueinander versetzt angeordnet sind.
    Beispiel: 3-phasige Systeme.
  2. Ein $m$-Phasensystem ist dann symmetrisch, wenn die Spannungen der einzelnen Phasen im gleichen Winkel zueinander versetzt stehen und die gleiche Amplitude aufzeigen. Damit bilden die Spannungszeiger $\underline{U}_1 ... \underline{U}_m$ einen symmetrischen Stern.
    Beispiel: 3-phasige Systeme mit $\alpha = 120°$
  3. Zunächst stellt jede Spule einen Strang dar, welcher 2 Potentiale bereitstellt. Der Begriff der Verkettung stellt nun folgenden Umstand dar:
    1. Wenn alle Stränge unabhängig mit einer Last verbunden sind, so nennt man das Phasensystem nicht verkettet.
    2. Wenn alle Stränge miteinander Verbunden sind, so so nennt man das Phasensystem verkettet.

        Mit der Verkettung sind weniger Leitungen nötig. Zur Verkettung können Stern- oder Ringschaltungen genutzt werden.

  4. Die Augenblicksleistung einer Phase ist zunächst zeitlich variabel. Verändert sich die Augenblicksleistung $p$ aber nicht mit der Zeit, so wird dieses System balanciert genannt.
    Wird eine symmetrische Last verwendet, dann sind $m$-Phasensysteme mit $m\geq3$ balanciert. Balancierte Mehrphasensysteme besitzen den geringsten Leitungsaufwand

    Für $m\geq3$ ergibt sich für die Momentanspannung: $\quad \quad p = m \cdot U \cdot I \cdot cos\varphi = P$

Damit ergibt sich für das Drehstromnetz als Vorteile gegenüber einem Gleich- bzw. Wechselspannungssystem :

  1. Für die Generation können einfache Drehfeldmaschinen genutzt werden.
  2. Kann von einer symmetrischen Last ausgegangen werden, so ist der Energiefluss zeitlich konstant
  3. Für den Energietransport kann die Spannung hochtransformiert und damit der Wechselstrom, sowie die damit einhergehende Abwärmeleistung reduziert werden.
  4. Auch an der Last können einfach Drehfeldmaschinen angeschlossen werden, welche die elektrische Energie in mechanische Energie umwandelt.

Merke:

  • Ist keine Last angeschlossen, so liegt kein Drehstromnetz bzw. Drehstromsystem vor, sondern ein Drehspannungsnetz. Der umgangssprachliche Begriff des Drehstroms ist damit nicht sauber.
  • Die Wicklungen werden $U$, $V$, $W$ genannt; die Wicklungsanschlüsse entsprechend: $U1$, $U2$, $V1$, $V2$, $W1$, $W2$

Nach dieser Lektion sollten Sie:

  1. wissen, was ein symmetrisches Mehrphasensystem ist
  2. die Begriffe Sternpunkt, Neutralleiter, Nullleiter zuordnen können

  • IPES ETHZ: interaktive Darstellung zum Feld im Motor