Wie soll man mit Probeklausuren umgehen?
Wie viele andere Kollegen biete auch ich einige Probe- oder Altklausuren für meine Fächer an.
Um diese optimal zu nutzen, sollten Sie wie folgt vorgehen:
Vor der Bearbeitung
- versuchen Sie eine möglichst realitätsnahe Prüfungssituation zu schaffen.
- Bereiten Sie sich physisch bestmöglich darauf vor.
- Nochmal aufs Klo,
- Getränk / Snack bereitstellen,
- ggf. Entspannungsübung machen.
- Bereiten Sie sich geistig bestmöglich darauf vor.
- Überschlagsrechnungen und grundlegende Formeln sollten Sie (trotz Formelsammlung und Taschenrechner) im Kopf haben - nicht um diese zu immer zu nutzen, aber für die Pausibilisierung von Ergebnissen.
- Rechnung mit 10er Potenzen sollten Sie können: z.B.: $10^5 \cdot {{10^3}\over{10^{-2}}}= ?$
- Es helfen dazu einige bekannte Größen auf einige Nachkommastellen zu merken: z.B.
- Bereiten Sie die erlaubten Hilfsmittel (z.B. Formelsammlung) bestmöglich darauf vor. Falls das Skript oder längere Aufschriebe erlaubt sind (bei mir in keinem Fach) kann eine Indexierung der Unterlagen mit Post-its und eine Seitennummerierung mit Inhaltsverzeichnis helfen Zeit in der Klausur zu sparen.
- Drucken Sie die Klausur aus - ohne auf den Inhalt zu spicken.
- Vermeiden Sie Störungen für die Bearbeitungszeit:
- Handy auf Flugmodus, Rechner aus
- Familienangehörige / WG-Bewohner darüber informieren, dass Sie gerade für die Bearbeitungszeit nicht ansprechbar sind.
- alle Materialien außer die die erlaubten Hilfsmittel weglegen.
- Sie sollten dann einen (Schreib)tisch mit wenig Störeinflüssen vor sich haben.
- Stellen Sie einen Timer auf die vorgegebene Prüfungsdauer (bei mir ET1: 1h, Grundlagen Digitaltechnik: 1h, ET2: 2h), machen Sie keine Pausen/Unterbrechungen. Es kann helfen eine Uhr mitlaufen zu lassen bzw. den Timer im Blick zu halten. Bei meinen Prüfungen gebe ich - soweit möglich - die noch verfügbare Zeit an.
Während der Bearbeitung
- Arbeiten Sie die Aufgaben durch. Es kann helfen sich anfangs eine Übersicht über alle Aufgaben zu verschaffen. Falls Sie bei einer Aufgabe nicht weiterkommen kann es helfen diese zunächst zu überspringen.
- Rechenaufgaben:
- Es ist häufig sinnvoll möglichst lange mit physikalischen Größen und ohne Zahlenwerte zu rechnen.
- Sobald Sie Zahlenwerte einsetzen, sollten Sie die Einheiten mit einsetzen.
- Nutzen Sie die SI-Einheiten. D.h. auch z.B. Millimeter sollten in Meter angegeben werden.
- Es ist sinnvoll die Lösung dann termweise nach Mantisse, Zehnerpotenzen und Einheiten zu trennen: z.B.
- Bitte versuchen Sie mit den Nachkommastellen gütlich umzugehen: Eine Lösung von $7583,94774288 N$ ist, wenn bei der Aufgabe Zahlenwerte wie $3cm$ ($\neq 3,00000000 cm$) angegeben werden, übertrieben.
- Beachten Sie, dass es keine „Minuspunkte“ gibt. D.h. wenn Sie auch nach längerem Nachdenken zu keiner Aufgabe mehr etwas schreiben können, können Sie die Zeit nutzen, um bei den komplett nicht bearbeiteten Aufgaben irgendwas zu schreiben, was für Sie Sinn ergibt.
- Planen Sie in den Bearbeitungszeitraum auch noch etwas Zeit für einmal Querlesen ein:
- Einheitenkontrolle bei den Aufgaben: kommt die richtige physikalische Einheit heraus? Rechnungen wie $U_0 = {I}\cdot{R}+R_L$ machen mit diesem Hilfsmittel bereits keinen Sinn.
- Überschlagsrechnungen: Einfache Überschlagsrechnungen helfen beim Plausibilisieren von fertigen Ergebnissen. z.B.
- Dabei kann großzügig überschlagen werden: $2 \pi \approx 6$, $\sqrt[2]{2} \approx {{3}\over{2}}$, ${{1}\over{\sqrt[2]{2}}}= {{1}\over{2}}\sqrt[2]{2} \approx {{3}\over{4}}$
- Auch die Betrachtung von der Größenordnung kann bereits viele Fehler auffinden.
- „gesunder Menschenverstand“: In der Regel sind die Aufgaben so gestellt, dass plausible Größen herauskommen. D.h. $10^{13} V$ oder $10^{-25} A$ riechen stark nach einem Rechenfehler!
- Wenn Sie keine Zeit mehr zur Korrektur haben, aber wissen, dass Ihre Lösung einen Fehler enthält, schreiben Sie dies zur Lösung dazu. Auch diese Erkenntnis könnte der Professor honorieren.
Nach der Bearbeitung
- Arbeiten Sie die Aufgaben mit Blick in die Unterlagen / Übungsaufgaben durch und nutzen Sie einen Rotstift zur Korrektur.
- Stellen Sie sich bei unklaren / falschen Antworten jeweils die Frage: Was hätte ein Prof. bei dieser Antwort wohl verstanden?
Einige Profs geben eher großzügig Folgefehler, andere weniger. Professoren haben im Rahmen der Freiheit der Forschung und Lehre hierfür einen gewissen Ermessenspielraum. Dieser ist aber selten nicht verhandelbar, da sich dadurch häufig das gesamte Bewertungsschema ändert.
Wichtig hierbei ist (für mich):- Hat der Student ein Einzelfehler häufiger in der Klausur gezeigt? Dann ist es aus meiner Sicht ein Folgefehler (z.B. XOR und XNOR vertauscht).
- Wurde durch den Fehler eine Aufgabe mit vielen Punkten trivial? In diesem Fall gebe ich „trotz nur einem Fehler“, keine oder nur sehr wenige Punkte.
Z.B. wurde bei folgender boole'schen Aufgabe durch das Ignorieren der Regeln in einem Schritt eine falsche Lösung gefunden. Der korrekte Lösungsweg hätte aber mehrere Rechenschritte erfordert $\overline{X_1}\,\overline{X_2}\,\overline{X_3}\,\overline{X_4} +{X_1}\,{X_2}\,\overline{X_3}\,\overline{X_4} + \overline{X_1}\,\overline{X_2}{X_3}\,\overline{X_4}+{X_1}\,\overline{X_2}\,\overline{X_3}\,\overline{X_4} = \overline{X_3}\,\overline{X_4}+\overline{X_2}\,\overline{X_4}$